Back

„Das Kofferkind“ – Lesung und Schreibwerkstatt mit der Autorin Tamara Labas

Eine zentrale Aufgabe der Schule ist, die Jugendlichen auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Dies betrifft sowohl das soziale Miteinander und die fachliche Qualifikation als auch das Erlangen der damit verbundenen Kompetenzen. Am besten ist es dann, wenn die Schüler*innen eine ganzheitliche Bildung erfahren, so dass, zusammen mit den Natur- und Gesellschaftswissenschaften, auch die Fächer der kulturellen Bildung professionell und leidenschaftlich zugleich vermittelt werden.

Es ist deswegen immer positiv, wenn der schulische Alltag durch Angebote bereichert wird, welche eine direkte Verknüpfung mit der Welt der kulturellen Bildung und ihren Akteur*innen erstellen. Eine Finanzierung durch Stiftungen und institutionelle Sponsoren oder auch Spenden durch private Gönner, wie ein Ehemaliger der ASS, können solche Angebote ermöglichen. Und genau dies ist der Fall gewesen, als am 31.01.2023 die Frankfurter Schriftstellerin kroatischer Herkunft Tamara Labas eine Lesung mit Schreibwerkstatt an unserer Schule gehalten hat.

Tamara Labas wurde in der kroatischen Hauptstadt Zagreb geboren und kam, als sie zwei Jahre alt war, zu ihren Eltern nach Frankfurt am Main, die dort bereits seit einem halben Jahr lebten und arbeiteten. Die Schule besuchte sie in Frankfurt und dann in Zagreb, wo sie das Abitur erwarb. Anschließend kehrte Tamara Labas nach Frankfurt zurück und absolvierte das Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität. Darüber hinaus vertiefte sie ihr Interesse für die Psychoanalyse und wurde psychoanalytische Paar-, Familien- und Sozialtherapeutin. Heute arbeitet Tamara Labas als Schriftstellerin und Familientherapeutin in Frankfurt und in den letzten Jahren hat sie sich auch auf dem Gebiet des Kreativen Schreibens einen Namen gemacht. Sie hat bereits an der ASS Projekte in Zusammenarbeit mit Kulturfonds Frankfurt RheinMain durchgeführt, war Schulkünstlerin an der Schiller-Schule in Offenbach und leitet Schreibwerkstätten mit geflüchteten Frauen, mit Gefangenen und an verschiedenen Bildungsinstitutionen. 

In der Verknüpfung von Literatur, Geschichte, Kunst und Psychoanalyse fand Tamara Labas ihren Weg als Schriftstellerin. Neben zwei Gedichtbänden hat sie zahlreiche Erzählungen veröffentlicht, ein Theaterstück geschrieben und aufgeführt sowie auch weitere Texte verfasst. Einige davon sind Teil Ihrer Arbeit als Autorin der „Bibliothek der Generationen“ im Historischen Museum, Frankfurt, wo sie auch an verschiedenen Ausstellungen mitgewirkt hat. In diesem Zusammenhang hat sich Tamara Labas intensiv mit dem Thema des „Kofferkindes“ als Folgeerscheinung der Gastarbeiterproblematik im Deutschland auseinandergesetzt. Genau dieses Thema war der Ausgangspunkt der Lesung und Schreibwerkstatt mit den Jugendlichen der Albert-Schweitzer-Schule.

Schüler*innen der Deutsch-Leistungskurse Q2 (Frau Geiser) und Q4 (Herr Rübensam)
besuchten die 5stündige Veranstaltung und hatten Gelegenheit nicht nur aktiv zuzuhören und Diskussionsbeiträge zu leisten, sondern auch selbst kreativ zu werden und, nach gezielten Schreibimpulsen, Texte zu schreiben und vorzulesen. Die Problematik des „Kofferkindes“, das aufgrund seiner Gastarbeiter-Eltern zu einem ruhelosen Leben zwischen den Welten, Kulturen und Sprachen einer traumatisierenden Migrationserfahrung gezwungen wurde, hat die Schüler*innen besonders gefesselt. Dabei konnten sie – angeleitet von Tamara Labas – ein sowohl kognitives als auch emotionales Interesse für die Thematik entfalten. Dieser produktive Zugang führte dann im Verlauf der Schreibwerkstatt zu einem erfolgreichen Transfer bezüglich eigenen Erfahrungen von Migration, Entfremdung, Desorientierung, Ausgeschlossen-Sein u.a. in ihren Prosa- und Lyriktexten.  

Am Ende der Veranstaltung bedankte sich Tamara Labas für die engagierte Beteiligung der Schüler*innen. Diskussionsbeiträge wie z. B. derjenige über „Kofferkinder“ aus der ehemaligen DDR, die, in Koffern versteckt, in den Westen „geschmuggelt“ wurden, fand die Autorin für sich sehr bereichernd. Sie stellte dieses Ereignis auch in den Zusammenhang mit der Auswirkungen der NS-Zeit, mit denen sie sich aus ihrer Perspektive für die große Ausstellung der Stadtlabors im Historischen Museum Frankfurt intensiv beschäftigte. Zu danken seien Frau Geiser und Herr Rübensam (Leitung FB II), die auch an der Veranstaltung teilnahmen. Last but not least sei Frau TsaTsa (Leitung FB I) für die Einladung, die Gesamtorganisation und ein leckeres Mittagspause-Catering gedankt, das die kollegiale und freundschaftliche Atmosphäre der Veranstaltung um ein weiteres Element ergänzte. Herr Dr. Biccari half bei der Organisation und Moderation der Veranstaltung.

Da aber das Beste immer zum Schluss kommt, sollen jetzt auch Schüler*innen mit ihren Stellungnahmen zur Lesung/Werkstatt zu Wort kommen:

Die Schreibwerkstatt mit der Autorin Tamara Labas gefiel mir sehr gut. Das freie Schreiben, ohne jeglichen Bezug zu unserem Unterricht, bot eine schöne Abwechslung und Grundlage für kreative Gedanken. Es war eine großartige Erfahrung, mit dieser Autorin gemeinsam an unseren Texten zu arbeiten. (Dorian Brocke/Q4)

Ich habe die Schreibwerkstatt als einen sehr emotionalen und tiefgründigen Workshop empfunden. Es war eine schöne Abwechslung vom Unterricht, da uns die Autorin Tamara Labas viel Raum für Kreativität gelassen hat. Wir konnten frei drauf los schreiben. Vor allem die Thematik der Gastarbeiterkinder hat mir besonders gefallen, da dies in der Schule kaum angesprochen wird. (Riki Gegas/Q4)

Mir hat der Schreibworkshop mit Frau Tamara Labas sehr gut gefallen. Wir hatten die Möglichkeit kreative Texte selbst zu schreiben, konnten einen kleinen Einblick in das Leben einer richtigen Dichterin/Autorin gewinnen und unsere eigenen Gedichte und Kurzgeschichten im Plenum vortragen. Außerdem war der Workshop in meinen Augen sehr sinnvoll strukturiert und auf einen kommunikativen Dialog zwischen Schüler:innen und der Autorin aufgebaut. (Robin Herrmann/Q4)

Folgende Exzerpte stammen aus kreativen Texten von Angelica D’Ambrosio:

Zu viele Male erlebte ich das Gefühl, nirgendwo hinzugehören und suchte nach einem Platz, der zu mir passte. Jedes Mal wurde mir klar, dass es nicht nur ein Platz ist, der dich vollkommen fühlen lässt. Zwei Plätze, oder auch mehrere sind es. (…)

Gelb war ihre Lieblingsfarbe. Gelb widerspiegelte auch ihr Innerstes. Ihre offene Art, das laute Lachen und Ihre Ausstrahlung, mit der sie jede Person anstecken konnte, etwas Positives zu fühlen. (…)

Dr. Gaetano Biccari (März 2023)