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Mut zur Freiheit, damals wie heute – was ich von Lothar Rochau gelernt habe

Als Lothar Rochau an unsere Schule kam, wusste ich nicht viel über die DDR – und noch weniger über das, was es bedeutet, in einer „Demokratie“ ohne echte Freiheit aufzuwachsen. Doch seine Geschichte hat mich und andere Schüler und Schülerinnen tief beeindruckt. Sie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, nicht zu schweigen, wenn etwas falsch läuft und wie viel Mut es braucht, für seine Überzeugungen einzustehen, wenn die Rechtsstaatlichkeit nur auf dem Papier besteht.

Herr Rochau war gerade einmal 18 Jahre alt, als er anfing ins Blickfeld des Ministeriums für Staatssicherheit zu geraten. Ein engmaschiges Netzwerk aus Spitzeln, als auch Amtsträger der Kirche machten es sich zur Aufgabe, ihn zu drangsalieren, zu bespitzeln, zu foltern und einzusperren bis hin zum 30. Lebensjahr. Warum? Weil er dachte, fühlte und sprach, wie es seiner Meinung nach richtig war. Weil er an Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit glaubte, in einem Staat, der all das unterdrückte. Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der kirchlichen Gemeinde, was vom DDR-Regime misstrauisch beobachtet wurde. Seine Gespräche mit anderen jungen Menschen und seine Weigerung, sich an das System anzupassen, machten ihn zur Zielscheibe der Staatssicherheit, der Stasi.

Für uns heute ist es kaum vorstellbar, dass man für Worte ins Gefängnis kommt. Dass man überwacht, eingeschüchtert und schließlich aus dem eigenen Land gedrängt wird, nur weil man anders denkt und kämpft, für die eigenen Rechte.

Doch genau das ist ihm passiert. Im Jahr 1983 wurde er schließlich aus der eigenen Heimat ausgewiesen, wobei er nur das tat, was für uns heute selbstverständlich ist. Lothar Rochau war zu dem Zeitpunkt eingesperrt worden, während andere gerade in dem Alter ihren Schulabschluss machten oder Pläne für die Zukunft schmiedeten.

Wie bei vielen politischen Gefangenen der DDR bezahlte die Bundesrepublik Deutschland für seine Entlassung bzw. den Freikauf und Überstellung in die Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem war sein Kampf nicht vorbei; er wurde sogar im „Westen“ belästigt, beobachtet und bedroht. Trotzdem setzte er sich in diesem für ihn neuen Land weiter für junge Menschen ein, arbeitete in der sozialen Bildung und wurde schließlich zu einem wichtigen Zeitzeugen für die Geschehnisse in der DDR.

Lothar Rochau hat nie aufgegeben. Heute spricht er offen über seine Erlebnisse. Nicht um Mitleid zu bekommen, sondern um uns zu erinnern: an den Wert von Freiheit, an die Bedeutung von Demokratie und Menschlichkeit, an die Wichtigkeit, das Schöne im Leben nicht aus den Augen zu verlieren und daran, wie leicht all das verloren gehen kann, wenn wir nicht hinschauen.

Ich glaube, wir merken oft gar nicht, wie viel wir heute haben. Wir dürfen unsere Meinung sagen. Wir dürfen frei leben, lieben und glauben. Doch diese Freiheiten sind nicht selbstverständlich. Sie wurden von Menschen wie Herrn Rochau mit Mut, Schmerz und Ausgrenzung verteidigt.

Die jetzigen globalen Geschehnisse zeigen genau wie wichtig es ist, sich weiterhin für diese Werte einzusetzen und nicht wegzuschauen.

Es schreit förmlich danach.

Für mich war sein Besuch nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern eine Einladung an uns alle, wach zu bleiben. Für andere einzustehen, Fragen zu stellen und die Freiheit, die wir haben, bewusst zu nutzen. Für das Gute.

In diesem Sinne zitiere ich unseren Namensgeber Albert Schweitzer, der dieses Jahr 150 Jahre alt geworden wäre:

„Ich bin Leben, das Leben will, inmitten von Leben, das Leben will“

Danke, Herr Rochau, für Ihre Offenheit und Ihren Mut. Sie haben in allen etwas bewegt.

Von Nelia-Lynn Hartling, Schülerin der Albert Schweitzer-Schule

[Rö – 7/25]