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Studienreise nach Barcelona im Rahmen des Projektes “Historisches Gedächtnis”

Zum dritten Mal seit 2016 fand das Unterrichtsprojekt Historisches Gedächtnis mit Zeitzeugen der Franco-Diktatur in Barcelona statt. Dieses Jahr reisten zum ersten Mal zwei Gruppen: ein Grundkurs und ein Leistungskurs.

Dank der Unterstützung der „L´Associació Catalana d´Expresos Polítics del Franquisme (ACEPF)“ und des Gymnasiums IES Quatre Cantons aus Barcelona konnte ein spezielles Programm entwickelt werden, in dem sich die Schüler der Albert-Schweitzer-Schule aus Offenbach mit dem für das Landesabitur 2023 zentralen Thema der Unterdrückung während der Franco-Diktatur auseinandersetzen konnten. Neben dem Studienprogramm gab es die Möglichkeit, durch Theaterstücke und Führungen durch die Stadt weitere relevante historische Aspekte der katalanischen Sozialgeschichte kennen zu lernen. Diese und andere persönliche Erfahrungen während dieser Studienreise finden Sie in diesem Sammelartikel.

Kurz vor Abflug

El Raval – Neben beeindruckender Architektur auch faszinierende Geschichte

Als eines der ältesten Stadtteile Barcelonas bietet El Raval eine interessante und emotionale Geschichte, die uns bei einem Rundgang nähergebracht wurde.

El Raval ist ein Netz aus vielen langen, engen Gassen, die sich durch die Altstadt Barcelonas ziehen. Schon seit Jahrzehnten ist es ein Viertel der Arbeiter und hat entsprechend nicht den besten Ruf. Obwohl es sich in letzten Jahren sehr verbessert hat, ist der Eindruck, dass es ein gefährlicher Ort sei, noch weit verbreitet. Trotz dessen hat das Viertel viele schöne und interessante Orte zu bieten, von denen wir einige besucht haben.

Eine dieser Sehenswürdigkeiten ist die Filmoteca de Cataluña. Eröffnet wurde sie im Jahr 2012 als Teil eines Projektes, um El Ravals Ansehen zu verbessern. Das Gebäude erscheint eindrucksvoll und zugleich dezent, um nicht zu stark aus seiner Umgebung herauszustechen. Beispielsweise wurde darauf geachtet, dass es nicht über die umliegenden Häuser herausragt. Uns wurden aber auch die Schattenseite dieses Projektes erklärt: um die Filmothek oder weitere schöne Plätze in der Gegend erbauen zu können, mussten Häuser abgerissen werden, wodurch viele Einwohner umgesiedelt werden mussten. Zudem zogen die neuen Attraktionen erhöhte Mietpreise nach sich, die weitere Menschen, hauptsächlich ärmere Arbeiter, aus der Gegend verscheuchten.

Dies macht leider nur einen kleinen Teil der tragischen Geschichte des Viertels aus. Es wurde stark von den Luftangriffen Italiens während des spanischen Bürgerkriegs im Jahr 1939 getroffen. Bei der Führung haben wir einige Einschlagsorte von Bomben besucht. Einer dieser Orte war vor dem Gymnasium Milà i Fontanals. Vor der Explosion der Bombehatten die Schüler, die tagelang in Panik gelebt hatten, nicht genug Zeit gehabt, um die eingeübten Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Einige konnten sich retten, viele haben in diesem Moment jedoch ihr Leben verloren. Viele Eltern schafften es auch nicht rechtzeitig zu kommen, um sich von ihren Kindern zu verabschieden. Sie erzählten uns von einer Frau, die darum kämpfen musste, dass die Leiche ihres Kindes nicht in dem Transporter, gefüllt mit anderen Leichen, abtransportiert wurde. Bewundernswert ist aber, wie die Nachbarschaften in diesen Zeiten zusammengekommen sind und einander unterstützt haben, um den Wiederaufbau des Viertels zu ermöglichen. Heutzutage kann ein Unwissender durch das Viertel laufen und sich an seinen Schönheiten beglücken, ohne eine Ahnung seiner tragischen Vergangenheit zu haben.

Trotz seiner teils brutalen Geschichte hat es El Raval geschafft, zu prosperieren, doch es ist wichtig, seine Geschichte im Hinterkopf zu behalten und aus ihr zu lernen. Phänomene wie das Rausdrängen armer Menschen aus Städten, so wie es dort passiert ist, existiert heute auch. El Raval ist das perfekte Beispiel für die Wichtigkeit, Fortschritte und Errungenschaften zu feiern, dabei aber nicht die Schattenseiten zu vergessen und aus ihnen zu lernen. Genau deshalb passt die Tour durch das Viertel perfekt zum Thema der Barcelona Reise: Historisches Gedächtnis.

Warum der 27. Januar wichtig für Spanien ist

Unsere Projektwoche in Barcelona führte unsere kleine Gruppe am 27. Januar in das IES[1] Quatre Cantons, ein katalanisches Gymnasium, welches uns zum Gedenktag des historischen Gedächtnisses eingeladen hat.

Als wir im Gymnasium eingetroffen waren, wurden wir herzlich empfangen und man hatte den Eindruck, dass sich die Kinder in der Schule viel Mühe gegeben haben, uns an diesem wichtigen Gedächtnistag einen Einblick in die Zeit des Bürgerkrieges und des Franquismus ab 1936 zu geben.

Uns erwartete eine 10. Klasse, welche Projekte über den Franquismo (Diktatur) in Form einer kleinen Ausstellung vorbereitet hatte. Wir sahen Bilder von Opfern aus dem Bürgerkrieg und aus der Zeit der Diktatur. Daraufhin gingen wir in eine Gruppenarbeit, um uns mit den Schülern auszutauschen. Man brauchte definitiv Mut, mit ihnen offen zu sprechen, jedoch funktionierte dies schnell und wir verstanden uns ebenfalls in einer kleinen Pause sehr gut. Auch die Zusammenarbeit mit dem LK aus unserer Schule funktionierte einwandfrei, sodass wir auch abseits des Programms Zeit miteinander verbrachten.

Wir haben uns in unserem Unterricht im Grundkurs mit dieser Thematik beschäftigt und wurden durch die Schülerrinnen und Schüler der Mittelstufe mit weiterem Wissen versorgt.

Im Klassenraum haben wir uns gegenseitig vorgestellt und in der großen Gruppe den Opfern von damals gedacht und auch über das Leiden vieler Menschen in Gulags und Gefängnissen gesprochen. Wir hatten dort eine Art Gerüst, an dem kleine Kärtchen befestigt waren und auf denen die Namen vieler verstorbener Personen verzeichnet waren. Meiner Auffassung nach wirkt es ziemlich schockierend, da es so viele waren, dass man noch lange nicht alle Namen an das Gerüst hängen konnte.

Als nächstes haben wir kurz über den Holocaust gesprochen und tatsächlich hingen Bilder von dem zweiten Weltkrieg aus Deutschland an der Wand wie zum Beispiel aus Berlin oder den Konzentrationslagern. Es hat mich wirklich bewegt, wie tragisch die deutsche Geschichte auch für die Spanier war und wie viele Parallelen es zu finden gibt.

Danach haben wir uns in verschiedene Gruppen begeben und die Kinder der Mittelstufe haben uns durch die Zeit des Franquismus geführt mit dem Bürgerkrieg und was General Franco alles aufgeboten hatte, um Menschen zu überzeugen und eine Diktatur zu errichten. Wir haben uns Videos angeschaut, wie Franco vor dem Volk gesprochen hat und ein Video, indem er sogar seine Tochter zum Volk sprechen ließ, um Menschen zu manipulieren und als ich mir das alles angeschaut und gehört habe, merkte ich wirklich eine ziemliche Ähnlichkeit zur Diktatur in Deutschland und wie diese zustande kam. Danach erzählten sie uns das Leben von Franco, über seinen Tod und bis 1977, als die ersten freien Wahlen abgehalten wurden, die den Schlusspunkt dieser Epoche darstellten. Als nächstes sind wir alle zusammengekommen und sind gemeinsam mit den Schülern und Geschichtslehrern in ein naheliegendes Theater gegangen, um uns gemeinsam das Stück „La Lola“, welches von einer Schauspielerin gespielt wurde, anzuschauen. Um ehrlich zu sein war das Stück für einen Schüler eines deutschen Gymnasiums schwierig zu verstehen, aber es war interessant, wie diese Schauspielerin ihre Rolle einer Republikanerin während des Franquismus mit sehr viel Überzeugung verkörpert hatte und das Interesse des Publikums geweckt hatte. Nach dem Stück haben noch ein paar Zeitzeugen, welche schon mindestens 70 Jahre alt waren, uns nochmal die Augen geöffnet, dass das Leben der Frau in diesem Stück wirklich so verlaufen war und dass man damals für die Rechte kämpfen musste. Ich muss gestehen, dass die Zeitzeugen sehr gelassen über ein sehr negatives Thema aus der Vergangenheit so offen mit uns sprechen und die Unterdrückung, unter der sie litten, mit uns teilen konnten. Diese Geste fanden wir sehr toll und haben uns als Albert-Schweizer-Schule herzlich bedankt und auch einen guten Eindruck hinterlassen. Nach der Verabschiedung wurden wir nochmal zurück in die Schule eingeladen und haben gemeinsam gegessen und natürlich waren wir noch mit den Schülerrinnen und Schülern noch im Austausch über die Vorbereitung dieses sehr wichtigen Themas an diesem besonderen und historischen Tag. Man muss bedenken, dass schon die unteren Klassen die eigene Geschichte lernen und uns am historischen Gedächtnis damit teilhaben lassen. Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Aufwand in so einem Projekt steckt. Diese Arbeit ist zu beneiden, weil man das in Deutschland nicht unbedingt gewohnt ist. Aber auf jeden Fall waren wir froh, daran teilgenommen zu haben und sich das aus deutscher Sicht mal angehört zu haben. Besonders, wenn man sich für Geschichte begeistert, war es das wert und dafür haben wir diesem Gymnasium einen riesigen Dank ausgesprochen.

Gesprächsrunde mit   Associació Catalana Ex-presos Polítics del Franquisme

Zunächst mal ist zu erwähnen, dass das Gespräch mit den Zeitzeugen aus dem Franco-Regime sehr rührend und lehrreich auch für unsere Zukunft gewesen war. Wir Schülerinnen und Schüler waren von den erzählten Ereignissen der Zeitzeugen sehr bewegt.

Angefangen hat das Thema, als eine Schülerin die Frage stellte, wie ein Tag in einem Gefängnis ausgesehen hat. Die Zeitzeugen haben angefangen zu erzählen.

Isabel, eine der gefangenen Opfer, berichtete, dass ihr Tag mit der morgendlichen Routine begann. Weiterhin erzählte sie, dass jeder Tag im Gefängnis meist gleich aussah und dass das Arbeiten und das Putzen ein Hauptbestandteil ihres Tages waren. Zudem erzählte sie, dass sie als politische Gefangene in ihrer Freizeit auch viel gelesen hat. Carlota, eine Zeitzeugin, die im Exil gewesen war, erzählte, dass ihr Tag anders verlaufen ist als der von Isabel, jedoch ist eine Sache gleichgeblieben: Ihre Freiheit wurde ihnen genommen.

Es war auch sehr bewegend, die Biografien von Antonia zu hören, die als Kind viele Monate mit ihrer Mutter im Gefängnis verbringen musste, und von der Angst ihrer Mutter, dass ihr das Kind nicht weggenommen und einer der Familien des Regimes übergeben würde. Auch die Erfahrungen von Carles und Domènec, die in ihrer Jugend Folter, Gefängnis und Exil erlitten.
Diese Generation von Frauen und Männern, die in jungen Jahren einem totalitären Regime gegenüberstanden und ihr Leben riskierten, zeigen uns heute, da sie noch am Leben sind und wie viel die Freiheit gekostet hat.

Ich denke, ich spreche für alle, wenn ich sage, dass es einfach unvorstellbar ist, was die Menschen in der Franco-Diktatur alles durchleben mussten. Natürlich kennen wir solche Erzählungen und Ereignisse aus dem Unterricht in Geschichte, aber man verspürt mit Sicherheit ein anderes Gefühl, wenn man im selben Raum mit Personen sitzt, die all das in ihrer Vergangenheit erlebt haben und gerade mit ihnen darüber zu sprechen. Ich denke, dass es für die Zeitzeugen nicht leicht war, so offen über ihre Vergangenheit mit uns zu reden. Es ist nämlich ihre Geschichte und was ihnen widerfahren ist, deshalb sind wir auch so dankbar für all die Mühe und die Zeit, die sie sich für uns genommen haben.

Gesprächsrunde mit Zeitzeugen

Umgeben von Barcelonas Schönheiten

Nachdem wir in unseren Hotelzimmern eingecheckt hatten, ging es für uns durch die Straßen Barcelonas. Die Atmosphäre in Barcelona war sehr verschieden von der in Offenbach. Am Abend war die Straße voll von Menschen, die alle die bunte Atmosphäre in Barcelona genossen. Die Stadt war durchzogen von engen Gassen und breiten Straßen mit vielfältigen Geschäften von Schmuck und Kleidung, Bars mit typischen Gerichten und verschiedenen Konditoreien.

Obwohl das Wetter nicht das wärmste war, strahlte die Sonne und die Palmen und der blaue Himmel brachten ein Gefühl von Sommer. Dies machte die Studienreise um einiges angenehmer.

Das Leben in Barcelona war durchgehend abenteuerlich und spannend. Von morgens bis abends waren die Straßen und Einkaufspassagen mit Leuten gefüllt, die alle ihren Tätigkeiten nachgingen.

Durch die Straßen Barcelonas zu laufen fühlte sich so an, als würde man durch ein riesengroßes, öffentliches Museum laufen, da es an jeder Ecke und in jeder Gasse, etwas Neues zu entdecken gab.

In unserer Freizeit haben wir Zeit gehabt die wunderschönen Orte und Sehenswürdigkeiten Barcelonas zu entdecken. Die Sagrada Familia, Las Ramblas und der Markt „El Mercat de la Boqueria“ waren einige der schönen Orte, die wir besucht haben. Obwohl die Orte von vielen Touristen besucht wurden, hat die Imposanz und die Schönheit alles übertroffen. Abends haben wir die Stadt erkundet und uns von den Restaurants und dem leckeren Essen beeindrucken lassen. Wir haben gemeinsam viele Spezialitäten der spanischen Küche probiert, einige dieser Leckereien waren Paella und Tapas. Barcelona verfügt nicht nur über ein schönes Festland, sondern auch über ein wunderschönes Meer. Davon konnten wir uns am Strand und am Hafen überzeugen. Der Hafen war mit vielen Booten gefüllt. Das Interessante hierbei war, dass der Hafen wie eine kleine Insel aufgebaut war. Darin stand ein Einkaufszentrum mit vielen Geschäften im Herzen des Hafens.

Soll diese Studienreise bei uns in der Schule verankert werden?

Das alles wäre jedoch ohne die monatelange Mühe und Vorbereitung von Herrn Camacho López und Frau Ivan nicht möglich gewesen. Von Telefonaten und Terminen zu Tanzveranstaltungen, gaben sich beide Lehrer viel Mühe, um den Traum der Schülerinnen und Schüler in die Wirklichkeit umzusetzen.

Die Organisation in Barcelona verlief sehr professionell und strukturiert. Das feste Programm fing meist nach 9-10 Uhr an und ging bis 14-15 Uhr. Ab dem Zeitpunkt hatten die Schüler Freizeit, um die Stadt zu besichtigen und neues zu sehen.

Trotz des Motivs unserer Reise (nämlich uns mit den Zeitzeugen des Franco-Regimes zu befassen), war die Reise sehr vielfältig und man hatte viel Zeit, um die Stadt für sich zu finden.

Wir hoffen, dass in Zukunft mehr Mitschülerinnen und Mitschüler der Oberstufe an diesem Projektunterricht teilnehmen können und dass die Schule diese Art von Schulangeboten stärker im Schulprogramm verankert.

Wir bedanken uns bei der Schulleitung für die Unterstützung der Durchführung der Studienreise und bei dem Förderverein der Schule für ihre Unterstützung mit dem Beitrag für die öffentlichen Verkehrsmittel in Barcelona und die Stadtführung. Wir danken Frau Isabel Alonso und María del Carmen Romero von der Associació Catalana Ex-presos Polítics del Franquisme in Barcelona und   allen Mitgliedern der Associació, die uns in Barcelona willkommen geheißen haben. Wir bedanken uns bei der Schulleitung des IES Quatre Cantons (Poble Nou) und insbesondere bei Herrn Ioseba. Wir sagen der Theatergruppe La Voz Ahogada, Mireia, Danke. Unser Dank gilt auch den Schülern des IES Quatre Cantons (Poble Nou), mit denen wir viel Zeit verbracht haben und die uns sehr gut behandelt haben.

Lucas Frankenberg, Jovana Plasic, Lisa Braun, Philipp Kalisch, Vanesa Sevelova, Ali Shahzad und Marco Camacho López

[Cam – 3/23]


[1] Instituto de Educación Superior: Gymnasium